Aurum

 

Nothing Gold can stay

 

Natures first green is gold,

Her hardest hue to hold.

Her early leafs a flower;

But only so an hour.

Then leaf subsides to leaf.

So Eden sank to grief,

so dawn goes down to day.

Nothing gold can stay.

 

Robert Lee Frost

 

 

Calcium carbonicum

 

Ein getreues Herz zu wissen

hat des höchsten Schatzes Preis.

Der ist selig zu begrüßen,

der ein treues Herze weiß.

Mir ist wohl beim größten Schmerze,

denn ich weiß ein treues Herze.

 

Läuft das Glücke gleich in Zeiten

anders, als man will und meint,

ein getreues Herz hilft streiten,

wider alles, was ist feind.

Mir ist wohl beim höchsten Schmerze,

denn ich weiß ein treues Herze.

 

Nichts ist Süßers, als zwei Treue,

wenn sie eines worden sein.

Dies ist´s, das ich mich erfreue,

und sie gibt ihr Ja auch drein.

Mir ist wohl beim höchsten Schmerze,

denn ich weiß ein treues Herze.

 

Paul Flemming

 

Nux vomica

 

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre...

Wenn das Zufällige und Ungefähre verstummte...

und das nachbarliche Lachen...

Wenn das Geräusch, das unsre Sinne machen,

mich nicht so sehr hinderte am Wachen,

dann könnte ich in einem tausendfachen Gedanken,

bis an den Rand dich denken und dich besitzen

(nur ein Lächeln lang), um dich an alles Leben zu verschenken

wie einen Dank.

 

Rainer Maria Rilke

 

Phosphor

 

Wirf dich weg ! Sonst bist du nicht

meiner Art und meines Blutes.

Wehe, wachst du zagen Mutes

über deinem Lebenslicht,

dessen Flammen gar nichts wert,

wenn sie nicht ihr Wachs verzehrt.

 

Brenne durstig himmelan!

Brenne stumm hinab!Doch brenne!

Daß Dein Los von dem dich trenne,

der sich nicht verschwenden kann.

Laß ihm seine Angst und Not !

Du verstehe nur den Tod.

 

Christian Morgenstern

 

 

Was aber ist der Schatten Sinn

die dunkel sich gebärden?

Und worauf weisen sie uns hin ?

Was will durch sie verstanden werden?

Durch Licht allein entsteh´n sie nicht -

sie brauchen Raum, darin ein Sein

daran die helle Flut sich bricht

und zeugt, was hinter allem Schein.

 

Das Dahinter ist der Schatten

er wächst he näher bei dem Licht,

hinterfragt das, was wir hatten,

als noch ganz unbetrübt die Sicht.

Was existiert nimmt daran teil,

am Dunklen , das durch Licht entsteht -

wer dies bedenkt, gelant zum Heil,

weil das Polare er versteht

 

J.G.

 

Pulsatilla

 

wunschkind des frühlings

zartes anschmeigsames verletztliches kind

 

gespielin der mädchen

im tanz der jungfrauen

auserwählt

dein liebes lächeln

dein biegsamer nacken

dein schamrot gesenktes gesicht

 

du bist gehorsam

dem gott der dich will

du bist erwählt

 

frühlingsfrau

du entsagst dem kampf

deines eigenen wegs

du bist der erde geweiht

der dich rufenden mutter

der göttin des wachstums

der drängenden kraft

deine blühenden unschuld

 

komm

schreite zum opfer

der priester wartet

mit einem blumenkranzu

für dein blut

 

Susanne Diez

 

 

Silicea

 

Unsere tiefste Angst ist nicht,  daß wir nicht genügen.

Unsere tiefste Angst liegt in der Ahnung, daß wir mehr Macht haben, als wir uns vorstellen können.

Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was uns am meisten Angst macht.

Wir fragen uns - wer bin ich denn, daß gerade ich brilliant, großartig, begabt oder  fabelhaft sein soll?

Aber mal ehrlich - gibt es einen Grund, es nicht zu sein?

Du bist ein Kind Gottes. Wenn du dich kleiner machst als du bist, rettest du die Welt nicht.

Es hilft niemandem, wenn du dich zurücknimmst.

Wir  sind auf die Welt gekommen, um die Herrlichkeit Gottes, die wir in uns haben, nach außen zu tragen.

Es ist nich nur in einigen von uns.

Jeder von uns trägt sie in sich.

Indem wir unser  Licht leuchten lassen, geben wir unbewußt anderen Menschen die Erlaubnis, es uns gleichzutun.

Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart von selbst die anderen.

 

Nelson Mandela

 

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren

sind Schlüssel aller Kreaturen,

wenn die, so singen oder küssen,

mehr als die Tiefgelehrten wissen...

Wenn sich die Welt ins freie Leben

und in die Welt zurückbegeben,

wenn dann sich wieder Licht und Schatten,

zu echter Klarheit werden gatten,

und man in Märchen und Geschichten,

erkennt die wahren Weltgeschichten,

dann fliegt vor einem geheimen Wort,

das ganze verkehrte Wesen fort.

 

Novalis

 

 

Eingeschlossen im Kristall

seh ich, was ich fühlen will

hör der Welten Widerhall,

doch ich selbst, ich bleibe still.

 

Diese Form ist mir gegeben,

sie ist so klar, doch starr und kühl.

Formlos sein, daß hieße leben,

weil dann erwächst, was ich erfühl.

 

Wüßt ich ein Ziel, dafür zu schwärmen,

tät ich alles, es zu fassen,

und in diesem Sich - Erwämen,

könnt ich alle Form verlassen

 

J.G.

 

Sinneland

 

So groß sind hinter den Scheiben

die Nasen, die mitsamt erstaunter Augen

den Kristallsommer einfahren.

Das vereiste Heu,

gefrorne Vogelrufe,

und die ganze Landschaft,

schön wie tausend Fotos.

 

Vieleicht muß man gar nicht so viel Angst haben,

meldet ein Atemeinzug,

vielleicht trägt der Sommer einen

zu gelass´nen Spielen;

am Wasser die Schuhe ( und Strümpfe) ausziehn,

und auf der Wiese das Hemd.

 

Da könnte man ja zu einem freieren Fühlen glangen,

gesegnet zuerst mit Horchen auf Wasweisich.

 

Die Hose noch,

und allmählich kommt eine andere Angst.

Da ist kein kristallenes Spiel mehr,

und die Scheibe ist längst geschmolzen.

 

Wir aus Herz und Brausen

haben uns erkannt

und sind schon mitten auf der Fahrt;

das Steuer hat uns.

 

E.K.

 

Thuja

 

Das Gespenst

 

Mit grauen Händen tastete der Morgen

nach meiner Stirne, die noch bleich von Sorgen,

und kühler war als diese kalte Wand.

Mich mied der Schlaf,

und immer neue Zahlen, bedrängten mich wie Seelenqualen,

ich hob den Kopf, der keine Ruhe fand.

Da sah ich neben dir ein Dunkles lauern,

das war ein greisenhaft verkrümmtes Kauern,

das hielt dein liebes Herz in böser Hand,

und nagte gierig dran mit steilen Zähnen.

Da kam vom Hof der schrei von unseren Hähnen -

es floh, der junge Tag steig an das Land.

Ich preßte meinen heißen Kopf jund weinte:

Ich wußte, das auch dieses uns vereinte,

die Qual, die niedrig ist und wie ein Brand

die Nächte frißt, die Tage und das Leben

 

Ernst Hardt

 

Tuberkulinum

 

Heute hier, morgen dort,bin kaum da,muß ich fort,hab mich nie deswegen beklagt,

hab es selbst so gewählt,nie die Jahre gezählt,nie nach Gestern und Morgen gefragt.

Manchmal träume ich schwer, und dann denk´ich, es wär

Zeit zu bleiben und nun ´was ganz an´dres zu tun.

So vergeht Jahr um Jahr, und es ist mir längst klar:

Daß nichts bleibt, daß nichts bleibt, wie es war...”

 

Hannes Wader